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Der friedliche Krieger

Ulf Neumann / Matthias von Saldern / Ralf Pöhler / Peter-Ulrich Wendt

Zur Einführung

In diesem Buch will sich Kampfkunst (Budo) als Methode gewaltpräventiven Handelns präsentieren und so in den “Mainstream” der aktuellen Gewaltdiskussion etablieren. Das Wort “Budo” ist der Überbegriff für die japanischen Kampfkunstmethoden, die sich aus dem Aspekt des (Lebens)Weges (Do) entwickelt haben. Budo heißt wörtlich übersetzt “Weg des Kriegers” der im eigentlichen Wortsinn “den Kampf anhält und beendet”. Am Beispiel der Kampfkünste Ju-do und Karate-do wird der Nutzen für Gewaltprävention, dessen Möglichkeiten und Grenzen, Vorteile und Gefahren kritisch diskutiert. Dieses (scheinbare) Paradoxon, eine Methode in der Gewaltprävention einzusetzten, welche (vermeindlich) Gewalt zum Inhalt hat, ist nicht nur Chance, Vorurteilen entgegenzuwirken, sondern auch Chance, die potentielle Wirkung der “reinen Lehre” auf das Individuum darzustellen.

Kampfkünste werden seit Jahren erfolgreich in verschiedenen pädagogischen Arbeitsfeldern (z.B. Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, politische Bildung, Therapie) von pädagogisch und/oder psychologisch qualifizierten Personen als (primäre bis tertiäre) Prävention für bestimmte Klientel eingesetzt.

Das weit verbreitete Vorurteil, dass Kampfkunst vor allem Gewalt und Aggression lehrt, rührt hauptsächlich aus oberflächlicher Medienpräsentation und vom Hörensagen. Ein anderes Vorurteil ist die Befürchtung, dass dort Schläger mit z.T. todbringenden Techniken ausgebildet werden, die sie skrupellos zum Angriff auf Opfer einsetzen können. Dass Kampfkunst eine Männerdomäne darstellt, in der ein anachronistischer Männlichkeitswahn propagiert wird, ist ein weiteres Vorurteil. Jede und jeder, die bzw. der sich mit Kampfkünsten intensiver auseinandersetzt, wird erkennen müssen, wie weit diese vorurteilsbehafteten Bilder von der Realität entfernt sind. Ihre Lehren beinhalten Leitprinzipien wie Respekt, Höflichkeit und Selbstdisziplin. Die Kampfkünste lehren, nicht andere Menschen als Gegner zu verstehen, sondern den Feind in sich selbst zu bekämpfen, um ein “besserer Mensch” zu werden. Diese Haltung in Verbindung mit der inneren Stärke, die das regelmäßige Üben verleiht, kann inneren und äußeren Frieden mit sich bringen. Das Studium der Kampfkünste wird betrachtet als Menschen- und Charakterbildung und kann zu psychischer Stärke und zum Lebensprinzip werden. Ziel ist die Realisierung eines harmonischen und verantwortungsvollen Menschen.

In seinen Beiträgen geht Prof. Dr. Matthias von Saldern auf den Begriff “Budo” ein. Er definiert ihn, stellt den geistigen Hintergrund heraus und beschreibt die Rolle des Meisters in der Kampfkunst. Ob Kampfkunst gewalttätig macht, dieser Frage nähert der Autor sich im zweiten Beitrag. Durch die Darstellung einschlägiger Untersuchungen kommt er zum Ergebnis, dass positive Wirkungen, die aber abhängig vom Meister/Trainer und den individuellen Persönlichkeitsmerkmalen des Übenden sind, empirisch  festzustellen sind.

Mir Kampfkunst und Kampfsport setzt sich Ulf Neumann auseinander und zeigt die Unterschiede auf. Er verdeutlicht konkrete Eckpunkte für Vereine, die sich der Aufgabe Gewaltprävention widmen wollen, die ihrerseits zu bedenken gilt. In seinem zweiten Beitrag befasst er sich mit der Lehrer-Schüler-Beziehung, im Kontext zu kulturellen Werten und Normen der fernöstlichen und europäischen Gesellschaften, die nicht unproblematisch übertragen werden können. Schließlich stellt er Kompetenzen für Kampfkunst-Lehrer zur Diskussion.

In seinem Beitrag geht Ralf Pöhler der Frage nach, welche Mängel und Einflüsse
bei Kinder und Jugendlichen zu aggressivem Verhalten führen können und was ein
pädagogisch reflektierter Judounterricht an positiven, verhaltensändernden
Strategien und Angeboten bereithält an denen Kinder und Jugendliche
erfahren können, dass es Alternativen zu einem destruktiv-aggressives Verhalten
gibt. Neben den Grenzen, Regeln, Ritualen und Werten im Judo geht er vor allem
der Frage nach, welches Erleben im Zweikämpfen mit Körperkontakt typisch und
primär dort möglich ist, welche Erfahrungen dort gemacht werden können und was
sie im Hinblick auf Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen bewegen
können.
Die Kernthese des Essays von Peter-Ulrich Wendt lautet: Die Aspirationen seitens Jugendförderung in Bezug auf die Möglichkeiten von Kampfkunst als Strategie der Gewaltprävention sind unter- oder überentwickelt. Das Ergebnis seiner Untersuchung stellt überskeptische (Budo stellt eine Verlängerung des Gewaltthemas in die Jugendarbeit hinein), bzw. übereuphorische (Budo ermöglicht eine gänzlich neue Perspektive der Jugendarbeit) Haltungen fest. Ein “realistisches Mittelwegszenario” ist selten anzutreffen. Der Autor deutet das Ergebnis in Richtung des Bedürfnisses der in der Jugendförderung Tätigen, nach Orientierung über die Möglichkeiten und Grenzen der “Methode Budo” in der Jugendarbeit.

Als Sicht des Gewaltforschers beschreibt Prof. Dr. Gunter A. Pilz mögliche Gefahren, aber auch offensichtliche Chancen für gewaltpräventive Jugendarbeit mit der Methode Kampfkunst. Er weist deutlich auf vernetztes Handeln und Nachhaltigkeit von Gewaltprävention hin. Darüber hinaus stellt er eine hohe Verantwortung der Kampfkunst-Lehrer fest. Folglich fordert er die Schaffung regionaler oder überregionaler Arbeitsgemeinschaften für “Kampfkunst in der Gewaltprävention”, die im Sinne freiwilliger Selbstkontrolle die Ausbildung und Arbeit der Kampfkunst-Lehrer überwacht.

Als Protagonist für den Begriff des “friedlichen Kriegers” (Kampfkunst in der Erziehung und Therapie), den er selbst vor fast 20 Jahren eingeführt hat, schreibt Dr. Jörg M. Wolters. Mit einem neuen Berufsfeld, der Budo-Pädagogik, befasst sich sein Beitrag. Die durch ihn selbst konzipierte Ausbildung zur Budo-Pädagogin bzw. -pädagogen, stellt er als sinnvolle Alternative zu den eher erfolglosen und langweiligen Erziehungs- und Therapierversuchen dar.

Das Sound-Karate hat sich bislang ausnahmslos positiv in der Praxis bewährt. Ralf Brünigs Beitrag aus der Praxis einer Hauptschule offeriert neben konzeptioneller Hinweise auf die vielen erfolgversprechenden erzieherischen Effekte dieses “Experimentes”.

Katrin Poetsch plädiert für ein koedukatives Konzept für den Kampfkunst-Unterricht an Schulen. Sie stellt neben Praxiserfahrungen auch konkrete Anforderungen für ein gewaltpräventives Judo-Projekt in der schulischen Mädchenarbeit vor.

Über seine langjährigen Erfahrungen mit Kampfkunst in der Behindertenpädagogik, berichtet Martin Von den Benken. Er kommt zum Ergebnis, dass positive Aspekte, sowohl im sozialen Lernen, als auch in der Neigung zu Gewalttätigkeiten durch den Einsatz von Judo erreicht werden können.

Schließlich runden der Praxisbeitrag von Olaf Zajonc, der in der offenen Jugendarbeit und Schulen der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover und Umgebung Selbstbehauptungs-Trainings und Kampfkunst-Angebote unterbreitet, den Band ab. Der Autor stellt die Arbeit kritisch und reflektiert dar.

 

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