Wurftechniken im Kniesstand erlernen (Fotos: Thomas Muschke) Mit seinem Buch "Kleines Judo" schloss F.Jahuda 1988 eine Lücke in der Judo-Methodik: Er stellte erstmals in der
Judoliteratur die Bedeutung des Kniestandes beim Erlernen von Wurftechniken in der Anfängerausbildung und im Unterricht mit Kindern heraus. Der judo-methodische Grundsatz "Technikerwerb vom Boden zum Stand" lässt sich
nur mit Hilfe dieser Zwischenstufe sinnvoll umsetzen. Fast alle Standtechniken lassen sich aus dem Kniestand eines Partners oder beider Judoka heraus ausführen. Wenn Uke auf einem oder beiden Knien kniet verringert sich für ihn
die Fallhöhe. Mit Toris Führung landet Uke "automatisch" richtig auf der Rückenseite. Standtechniken sind somit schon in der ersten Judostunde in Vorformen gefahrlos schulbar. Die Falltechnik
muss nicht vorher separat eingeübt werden. Für Tori verringern sich bei der Wurfausführung die Anforderungen an die Gleichgewichtsfähigkeit: Uke belastet ihn
nicht zusätzlich mit seinem Körpergewicht. Tori kann sich voll auf Fußstellung, Gleichgewichtsverteilung oder Gleichgewichthalten auf einem Bein (bei schwierigen
Anfängerwürfen wie O-soto-gari, Uchi-mata, Harai-goshi u.a.) konzentrieren. Schon im Technikerwerbtraining lassen sich "realistische" Anwendungssituationen
erarbeiten: Das Prinzip von Aktion- und Reaktion (Zug und Gegenzug, Druck und Gegendruck) lässt sich von Beginn an einbeziehen. Der Kniestand stellt das Bindeglied zwischen Stand- und Bodenkampf dar. Von den
ersten Versuchen an werden Übergänge von Stand- und Bodenkampf mit erarbeitet. Die Verbindung von Werfen und Nachgehen in die Bodenlage und das Kennenlernen von Standardsituationen des Bodenkampfes (wie Rückenlage,
Bank-/Bauchlage oder Beinklammer) und ihr Zustandekommen sind Bestandteile der Anfängerausbildung. Beingreiftechniken, die heute immer mehr an Bedeutung im Wettkampfjudo
gewinnen, werden im Kniestandrandori vom Anfänger selbstständig entwickelt und müssen nicht später als "judofremde" Techniken vollständig neu erlernt werden.
Hier einige Anregungen für den Anfängerunterricht, die ich in meinem Buch "Judo - In zehn Schritten zum Grünen Gürtel" (1994) vorgestellt habe (Abdruck der
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung des Copress-Verlages, München): Die Ausgangsposition
Uke und Tori oder Uke allein befinden sich im Kniestand. Uke kniet auf einem Bein, der Fuß des anderen Beines ist aufgesetzt. Das Gleichgewicht ist nach schräg hinten und nach vorne über das kniende Bein labil, hingegen über den
aufgesetzten Fuß und die aufgesetzten Zehen des knienden Beines stabil. Wer kann den anderen nach hinten Umdrücken oder nach vorne herumziehen? Koshi-guruma
Tori dreht auf beiden Knien ein und legt die Hand um Ukes Nacken. Tori dreht weiter bis Uke über das kniende Bein nach vorne kippt. Tori behält den Griff bei und geht
nach zu Kesa-gatame. Das Nachgehen zum Bodenkampf ist in diese Form des Technikerwerbtrainings voll integriert. Übergang von Kniestand zum Stand/Bewegung Im Stand werden die Eindrehtechniken nicht wie allgemein üblich unterrichtet: Bei
der Rechtsausführung wird nicht das linke Bein hinter das rechte gezogen, sondern ähnlich dem Kawaishi-Eingang das rechte Bein nach vorne gesetzt. Tori macht nur eine kleine Drehung Uke entgegen. O-uchi-gari
Der enge Körperkontakt zu Uke kann von Tori problemlos hergestellt werden. O-uchi-gari und auch Ko-uchi-gari (s.Abb. 9/10) werden als Mitfalltechniken unterrichtet. Partnerkontrolle und Körpereinsatz bestimmen auch beim O-uchi-gari
im Stand den Erfolg des Wurfes. Der Übergang zum Boden-Standardsituation Rückenlage mit vielfältigen Fortsetzungsmöglichkeiten schließt sich an. Ko-uchi-gari Aus der tiefen Standposition für Uke und dem Kniestand von Tori ergibt sich eine
erste Steigerung der Technik als Vorstufe vor der Standausführung. Für Tori werden erleichterte Bedingungen geschaffen, weil er nicht durch "Absenken" unter den
Schwerpunkt Ukes gelangen muss; für Uke ergeben sich erschwerte Bedingungen, weil er aus einer höheren Lage heraus fällt. Tai-otoshi
Toris verteilt sein Gleichgewicht auf beide Beine gleichmäßig. Dynamisch kann Uke über das vorgestellte Bein geworfen werden. Uke fällt kontrolliert auf die Rückenseite. Als Weiterführung am Boden eignen sich Haltegriffe oder auch
Juji-gatame. Uchi-mata
Eindrehtechniken auf einem Bein wie Harai-goshi, Uchi-mata, aber auch Fußtechniken wie Hiza-guruma sind für Anfänger ein Problem: Sie können das Gleichgewicht nicht halten, schon gar nicht mit dem zusätzlich aufgeladenen Gewicht
des Partners. Aus dem Kniestand heraus sind solche Techniken mit einiger Dynamik ausführbar. Uke muss bei dieser Vorform des Uchi-mata sicherlich die Falltechnik schon relativ gut beherrschen. Auch in diesem Fall bieten sich
Weiterführungen im Bodenkampf an, z.B. wenn Tori nicht zu Erfolg kommt und Uke in die Bankposition gerät oder beim Wurf nur ein Teilerfolgt erzielt werden konnte.
|